Freimaurerei, so antworten wir, wenn die Gretchen-Frage an uns gerichtet wird, ist weder eine positiv-dogmatische Religion noch lehrt sie eine solche; ebensowenig ist sie Theologie; denn sie verkündigt und rechtfertigt keine übernatürliche, der Vernunft entzogen bleibende Offenbarung. Damit ist jedoch die Sache selbst nicht erledigt. Meist können wir denn auch mit der an sich korrekten Auskunft, unser ethischer Bund sei weder Religion noch Theologie, die Neugier Außenstehender nicht befriedigen. Es ist uns immer schon leichter gefallen, der Welt mitzuteilen, was wir nicht sind, als ihr – und uns – zu verdeutlichen, was es mit dem offenbar komplexen Verhältnis der Freimaurerei zur Sphäre des Numinosen, Transzendenten, Göttlichen auf sich hat. Die Frage betrifft unser Selbstverständnis, ob wir nun vom Ritualbestand der Johannismaurerei ausgehen oder von dem des Schottischen Ritus, ob wir, wie in den Logen noch weit verbreitet, vom Allmächtigen Baumeister aller Welten ausgehen oder – metaphysisch vorsichtiger – vom Großen Baumeister aller Welten (oder der Welt). Die religionsphilosophische Grundlage der humanitären Maurerei ist in ihren sämtlichen Obödienzen dieselbe. Stets handelt es sich um den tastenden Versuch, in bildhafter Rede Unnennbares zu benennen, einen letzten Sinnhintergrund der Welt und ihrer Ordnung anzugeben. Wir setzen ihn aus moralisch-regulativen Gründen voraus, ohne ihn zu erkennen. Ein ungetrübter Blick aufs Seiende im Ganzen, wie alle Metaphysik ihn zu erreichen sucht, ist uns verwehrt, weil wir, eingesperrt ins Gehäuse unserer Subjektivität, menschlichem Maß verhaftet bleiben.